St. Laurentius Kirche Groß Kiesow

Blick aus Nordost auf St. Laurentius

Der heilige Laurentius

Die evangelische Kirche von Groß Kiesow ist dem heiligen Laurentius gewidmet. Seiner Legende zufolge war Laurentius als römischer Diakon für die Verwaltung des Kirchenvermögens zuständig. Während der ersten Christenverfolgungen widersetzte er sich einer kaiserlichen Anordnung: Statt den Kirchenschatz herauszugeben, verteilte er ihn an die Mitglieder der Gemeinde. Er versammelte die Armen, Invaliden, Leprösen, Witwen und Waisen und präsentierte sie als „den wahren Schatz der Kirche“. Der Kaiser ließ ihn foltern und am 10. August 258 n.Chr. hinrichten. Fortan galt Laurentius als Märtyrer und wird heute in den meisten christlichen Konfessionen als Heiliger verehrt. Seit dem frühen Mittelalter ist er Namensgeber zahlreicher Kirchen.

St. Laurentius gilt als Schutzpatron mehrerer Berufsgruppen, die mit offenem Feuer zu tun haben, darunter Bäcker, Brauer und Köche. Vermutlich aufgrund seiner Verwaltertätigkeit wird er von Archivaren und Bibliothekaren angerufen, auch Studierende können sich an ich wenden. Bei Brandwunden, Hexenschuss, Ischias und Hautleiden soll die stille Zwiesprache mit dem Heiligen helfen. 

Portal und Friedhof

Historische Grabwangen und Kreuze

Der Zugang zur Kirche führt durch ein spätgotisches Portal aus Backstein. Auf dem alten Friedhof fallen zuerst historische Grabwangen und schmiedeeiserne Kreuze aus dem 18. und 19. Jahrhundert ins Auge. Ein auffälliger Grabstein erinnert an den 1830 verstorbenen Carl Felix Bernhard von Behr. Das Adelsgeschlecht derer von Behr hat als Herren der umliegenden Güter die Region seit dem 13. Jahrhundert und bis ins 20. Jahrhundert geprägt. Es hatte das Patronat der Kirche inne, war an allen Bauabschnitten maßgeblich beteiligt und gab auch sein Einvernehmen bei der Besetzung der Pfarrstelle.

Auf dem Friedhof finden bis heute Bestattungen statt. Eine von ihm selbst geschaffene Plastik als Grabstein erinnert an den Künstler Horst Leifer (1939-2002). Daneben liegt die letzte Ruhestätte des Pastors und Polizeiseelsorgers Andreas Schorlemmer (1949-2019), der ab 1975 Pfarrer der St.-Laurentius-Kirche war und sich bis zu seinem Tode intensiv für „seine“ Kirche engagiert hat. Seinem Wirken sind die moderne Ausstattung und kulturelle Ausstrahlung ebenso zu verdanken wie die grundlegenden Sanierungsmaßnahmen der Jahre 2017 bis 2020.

Die Architektur

Blick von der Empore zum Chor

Der frühgotische Chor stammt aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die Seitenwände sind aus Feldsteinquadern geschichtet, der östliche Giebel ist in Backstein ausgeführt. Der Chor wird durch ein Bandrippengewölbe überspannt. Seine drei spitzbogenförmigen Fenster (Lanzettfenster) sind mit roten und schwarz glasierten Backsteinen in Halb- und Dreiviertelstäben gerahmt. Diese Formen finden sich an den Seitenfenstern und an der Priesterpforte wieder. Unregelmäßiges Mauerwerk an der Nordwand deutet auf eine ursprünglich vorhandene Sakristei hin.

Mit dem Chor wurden bereits Ansätze für den Bau des Kirchenschiffs geschaffen. Das Schiff selbst entstand zu Beginn des 14. Jahrhunderts, als Backsteinmauerwerk auf einem Fundament aus Granitquadern. Auf der Nord- und Südseite finden sich jeweils wieder spitzbogenförmige Fenster, und auch das Portal an der Südseite nimmt diese Form auf. Der sichtbare Teil des Giebels ist mit Blenden aus Backstein verziert. Zwischen Schiff und Satteldach an der Südseite zeigt sich ein seltener Fries aus hochgestellten Läufern.

Laurentius Kiesow
Weithin sichtbar: der Turm

Zeitgleich mit dem Schiff wurde das Fundament des westlich anschließenden Turms gelegt. Der Turm selbst wurde zunächst 1653 in Fachwerkbauweise errichtet und nach einem Blitzeinschlag um 1800 mit Backstein in neogotischer Gliederung ummantelt. An der Nord- und Südseite sorgen gestufte Strebepfeiler für Stabilität. Der dreigeschossige Turm schließt mit einer Welschen Haube mit offener Laterne und Wetterhahn ab.

Die Gesamtlänge der Kirche beträgt rund 33 Meter, ihre Breite 12 Meter. Der Turm ist insgesamt rund 35 Meter hoch.

Die Ausstattung

Im Innenraum offenbart nicht nur die Architektur das Alter der Kirche. Die Bandrippen im Chorraum sind mit floralen Motiven aus der Bauzeit bemalt. Wandmalereien aus dem 17. Jahrhundert schmücken die Wände. Sie zeigen Szenen aus dem Leben Jesu: An der Nordseite sind die Verkündigung, Christi Geburt und die heiligen drei Könige zu sehen, an der Südseite die Opferung Isaaks und die Kreuzigung. Zwei weitere Malereien zeigen Frauenfiguren in zeitgenössischer Tracht.

An der östlichen Seitenwand des Kirchenschiffs hängt eine um 1700 entstandene Kopie eines Gemäldes „Die Kreuzigung“ von Anton van Dyck. Im Chorraum sind die Reste eines barocken Altars zu erkennen. Im nördlichen Fenster des Kirchenschiffs sind vier Wappenscheiben aus dem 17. Jahrhundert zu sehen, im südlichen ein Kruzifix von 1920 zur Ehrung der Gefallenen des 1. Weltkriegs.

Blick vom Altar zur Orgel

Die reich verzierte hölzerne Kanzel stammt aus dem 17. Jahrhundert. Die Orgel wurde 1862 von M. Fernau in Stralsund gefertigt und 1963 klanglich umgestaltet. Das Geläut der Kirche besteht aus zwei Glocken. Die ältere mit einem Durchmesser von einem Meter wurde 1830 aus der Bronze einer gerissenen Glocke neu gegossen, die jüngere stammt aus dem Jahr 1929 und misst rund 80 cm. Beide Glocken erklingen täglich um 18 Uhr und zu den Gottesdiensten.

Moderne Kunst 

Zur Austattung der Kirche gehören einige moderne Kunstwerke. Eine Stele des Bildhauers Hans-Volker Mixsa zum Gedenken an die Gefallenen der Weltkriege fällt ins Auge. Der Künstler schuf 1988 auch den Altartisch aus Holz und Eisen. Rainer Fest gestaltete im Jahr 1997 den Taufstein mit fließendem Wasser. Das in Enkaustiktechnik ausgeführte Werk des polnischen Künstlers Pawel Nowak trägt den Titel „The Light is coming into Dark“.

Altarwand mit zeitgenössischer Kunst

Auf Initiative von Andreas Schorlemmer entstand 2018 eine Altarwand aus Gemälden unterschiedlicher Formate. Jedes Gemälde ist frei nach biblischen Motiven und Bezügen gestaltet und trägt eine eigene Handschrift. Beteiligte Künstler waren Brigitte Denecke, Markus Gley, Volker Henze, Christiane Latendorf, Sibylle Leifer, Doris Leue, Jörg Masser, Julia Schorlemmer, Heike Wadewitz, Matthias Wegehaupt, Andrej Wolff, Rita Wolff und Igor Zaidel. Die Bilder der Altarwand gehören heute zum Inventar von St. Laurentius und sind regelmäßig, aber nicht ständig zu sehen. 

Sanierung

Zu Beginn des 21. Jahrhundert zeigte die Kirche St. Laurentius erhebliche bauliche Schäden. Mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und anderer Unterstützer konnten in den Jahren 2017 bis 2020 Dachstuhl und Dach saniert sowie das Mauerwerk im Chor mit Zugankern stabilisiert werden. Im nächsten Schritt ist der Turm zu sanieren. Die Kirchengemeinde wirbt dafür um Spenden.

(Text: Dr. Volker Pesch; Quellen & Literatur: Gerd Baier et al., Die Denkmale des Kreises Greifswald, Leipzig 1973; Norbert Buske / Gerd Baier, Dorfkirchen in der Landeskirche Greifswald, Berlin 1984; Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Mecklenburg-Vorpommern, Berlin 2000; Wikipedia-Artikel in 09/2020)